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Uhrenhemmung mit Spindel und Waag

Kronrad, alt Kronrad, Nachbau

Beim Nachbau unserer astronomischen Uhr war von Anfang an geplant, auch die Uhrenhemmung nachzubauen, damit unser Nachbau auch mit dem klassischen Antrieb durch ein Gewicht zu bestaunen wäre. Das Kronrad, das man auf dem Bild rechts erkennt und dort als Hemmungsrad bezeichnet wird, entspricht recht gut dem Rad aus der originalen Uhrenhemmung auf dem linken Bild.

Im Laufe der Jahre haben sich bisher bereits einige Schülergruppen damit beschäftigt, dieses Kronrad zum Laufen zu bringen. Die Schwierigkeiten, die dabei auftraten, waren jedoch größer, als wir uns das bei der Planung gedacht hatten. Es lag wohl vor allem daran, dass wir die "Zacken" der Krone nicht mit genügender Genauigkeit herstellen konnten.

Zacken spindellappen

Nun - so scheint es - haben wir einen Durchbruch erreicht. Patrick Scholer und Florian Winter haben ein Kronrad gebaut, bei dem sich jede Zacke einzeln justieren lässt. Die Zacken bestehen jetzt nicht mehr aus einem Kupferblech, sondern es sind Schrauben, die sich mit zwei Kontermuttern auf eine für jede Zacke richtige Position einstellen lassen (s. obige Bilder).

Auch die Spindellappen wurden überarbeitet, so dass sie jetzt besser und früher in die Zwischenräume zwischen zwei "Kronenzacken", also zwischen die justierbaren Schrauben, eingreifen können.(linkes Bild: der obere Spindellappen, rechtes Bild: der untere Spindellappen).

Dieser Link vermitteln Ihnen einen ersten Eindruck über das Ticken unserer Nachbau-Uhr:

Hier gibt es ein kurzes Video dazu!

   

Nachdem Patrick, der inzwischen allein weitergearbeitet hat, diesen Durchbruch geschafft hatte, ging er daran ihn weiter zu verbessern. Da war als Wichtigstes, die Ganggenauigkeit zu steigern.
In dem obigen Video rückte der Zeiger auf dem Zifferblatt in ca. fünf Minuten um einen Winkel weiter, der etwa einer Stunde entsprach. Um sich in dieser Richtung zu verbessern, wäre es notwendig gewesen, die Periodendauer der Waagschwingung drastisch zu verlängern. In der Originaluhr betrug diese Periodendauer 10 Sekunden. In unserer Uhr wurde beim Verlängern der Periodendauer die Bewegung des Waagpendels so langsam, dass Schwierigkeiten mit der Haftreibung auftraten und das Pendel stehen blieb. Zur Lösung hat Patrick die Lagerung der Spindel verbessert, indem er sie mit einer spitzen Nadel versehen hat, die in einer Mulde läuft (s. Bild). Die Reibung wurde deutlich verringert, allerdings kam er immer noch nicht an die originalen 10 Sekunden für die Waagschwingung heran.

Spindellager

Schweren Herzens entschloss er sich im nächsten Schritt die originale Periodendauer aufzugeben und einer realistischeren Ganggenauigkeit die Priorität einzuräumen.
Es musste also eine andere Übersetzung vom Antriebswellrad auf das Sonnenzahnrad gefunden werden. Das Ergebnis zeigt das Bild unten links eines mehrstufigen Getriebes. Man sieht das Antriebswellrad mit der Kette, die nach unten das Uhrengehäuse verlässt. Daran wird ein Gewichtstück mit 1 kg Masse angehängt, das allerdings auf dem Bild nicht zu sehen ist. Auf dieser Achse ist links neben diesem Antriebszahnrad ein kleines Zahnrad, das die Bewegung auf ein großes Zahnrad der zweiten Getriebeachse überträgt. Von dieser Achse geht die Kraft weiter von dem kleineren Zahnrad rechts über eine Kette, die dann in mehreren Schritten das Sonnen- und das Mondzahnrad antreibt (s. Bild unten rechts).
Auf dem Antriebswellrad sieht man noch ein weiteres großes Zahnrad, über das eine Kette nach hinten läuft und sich in den Tiefen des Uhrwerks verliert. Diese geht zum Kernstück von Patricks Arbeit: der Uhrenhemmung. Diese sorgt dafür, dass das Antriebsgewicht nicht wegen der geringen Reibung einfach durch die Schwerkraft nach unten rauscht. Die Hemmung sorgt dafür, dass die Schwerkraft nur in ganz bestimmten Phasen der Waagschwingung Energie auf die Uhr überträgt.

Getriebe 2 Kettenverlauf

Vergleicht man diese Bilder mit dem Zustand, der noch im obigen Video gezeigt wird, so stellt man fest, dass die gesamte Anordnung deutlich komplexer geworden ist.



Getriebe Gesamtansicht

Hier sieht man die Gesamtansicht des Getriebes und seine Stellung zum restlichen Uhrwerk.

Nachdem nun auch das Uhrwerk tatsächlich die Zeiger in einer Stunde um 15° vorrücken lässt - zur Erinnerung: die Uhr hat eine 24-Stundenanzeige - ergab sich ein Folgeproblem. Die Periodendauer des Waagpendels betrug nun 3,2 Sekunden (statt 10 s). Bei dieser kurzen Periode bewegen sich Pendel und Antriebskette natürlich schneller, so dass man die Uhr häufiger aufziehen muss. Wenn die Uhr - wie bisher - auf einem Tisch mit etwa 70 cm Tischhöhe steht, so kommt das Gewichtstück alle 15 Minuten auf dem Boden auf und muss wieder oben in die Kette eingehängt werden. Bei astronomischen Zimmeruhren ist das Problem bekannt und wurde eventuell dadurch gelöst, dass man den Fussboden durchbohrt und das Gewichtstück durch mehrere Etagen des Hauses laufen lies. Dies war in unserem Fall allerdings nicht möglich und Patrick hat sich deshalb entschlossen die Uhr auf 2 m hohe Stützen zu stellen, so dass die Uhr bis zum Umhängen des Gewichts nun doch etwa 35-40 Minuten laufen kann (s. Bild rechts).

Patrick vor der Uhr

Das Bild rechts zeigt die fertige Waag mit zwei Gewichtsstücken von jeweils 0,5 kg Masse. Die Periodendauer und damit die Ganggenauigkeit lässt sich durch Verschieben der Gewichte auf der Waag feinjustieren. Jeweils zwei Muttern markieren die Position, an der die Gewichte eingehängt werden sollen.

Die fertige Waag

   

JuFo 2011 FR1

   

Patrick hatte sich im Herbst 2010 bei Jugend forscht angemeldet, weil er zuversichtlich war, dass er die historische Uhrenhemmung bis zum Februar 2011 hinbekommen würde. Darüber hinaus er war guter Hoffnung, dass er zusätzlich auch die Frequenz der Waagschwingung so einrichten könnte, dass die Zeiger sich mit realistischer Geschwindigkeit drehen würden.
So war es dann tatsächlich auch. Am öffentlichen Tag des Jugend forscht Wettbewerbs lief die Uhr mehrere Stunden hintereinander und der Sonnenzeiger überstrich zur vollen Stunde sehr genau die einzelnen Stundenmarkierungen des Zifferblatts.
Am Patricks Stand kamen außer den interessierten Schülergruppen auch zwei Uhrenfachleute, die sich als gelernte Uhrmacher auch bereits mit historischen Uhren beschäftigt hatten. Sie bestaunten Patricks Arbeit gebührend und bekamen - von Patrick angesteckt - ebenfalls strahlende Augen angesichts des erstaunlichen Gleichlaufs dieses Nachbaus einer historischen Uhrenhemmung.

Patricks unermüdlicher Einsatz wurde mit Preisen belohnt, so z. B. ein zweiwöchiges Praktikum bei einem weltweit operierenden, mittelständischem Müllheimer Unternehmen, Geldpreis und eine Armbanduhr mit moderner Technik aber mit klassisch eleganten Zifferblatt.

JuFo 2011 FR2

   

Damit war Patricks Zielvorstellung aber noch erreicht. Um den historischen, mechanischen Antrieb fristgerecht zu realisieren, hatte er sich entschieden den Elektromotor auszubauen. Das Konzept der Schülerinnen und Schüler, die einige Jahre zuvor die Uhr konstruiert und gebaut hatten, sah jedoch vor, dass man zügig zwischen elektischem und mechanischem Antrieb wechseln können sollte. Obwohl es damals diesen Begriff noch nicht gab, hatten die Schülerinnen und Schüler damals bereits eine astronomische Uhr mit Hybridantrieb konzipiert.

Dieses Ziel hatte Patrick ebenfalls nicht aus den Augen verloren. In der Folge dieser Entscheidung ergaben sich weitere Umbauten und Reparaturen. Achsen auswechseln, Kugellager neu einpassen, Motorhalterung konzipieren, bauen und installieren ...

Diese Phase ging nicht ohne Fehlversuche und Umbauten vor sich. Schließlich aber war es soweit, dass ein neuer Angriffspunkt für den Motor gefunden wurde und ein neues Konzept für den raschen Wechsel zwischen den beiden Antriebsarten entwickelt wurde.

Der folgende Film berichtet über diese Entwicklung.

Tonfilm: Astro-Uhr mit Hybridantrieb

   

Will man vom mechanischen auf den elektrischen Antriebs wechseln, so muss nun lediglich eine Kette zwischen zwei Zahnrädern des Getriebes vom größerem Zahnrad abgehoben werden. Auf dem anderen Zahnrad kann sie bleiben und hängt einfach im Getriebe herunter. Der mechanische Antrieb ist stark genug, um auch bei eingeschalteter Kette Uhrwerk und den stromlosen Elektromotor gemeinsam zu bewegen. Man muss also den Motor selbst nicht in seiner Halterung beim Wechseln drehen.

Kette abkoppeln

   

Will man den Gleichlauf der Uhr überprüfen, so ist es heutzutage praktisch, den Lauf der Uhr zu videographieren.

Der folgende Film stellt einen solchen Videographen dar.

Tonfilm: Dokumentation des Gleichlaufs