Die Astronomische Kunstuhr Stralsund

gebaut von Nicolaus Lilienveld 1396
nachgebaut 2003 von der Astronomie AG des Markgräfler Gymnasiums

Das Zifferblatt des Originals und ...

... unser Zifferblatt

Von der Frontansicht ist erkennbar, dass es drei Zeiger gibt: Den Sonnenzeiger (bei unserer Uhr goldene Farbe), den Mondzeiger (bei uns gelb mit Mondgesicht) dund den runden Tierkreiszeiger. Mit Hilfe dieser drei Zeiger, der Linien und der Kreise des Zifferblatts kann man eine Fülle von Details ablesen kann: Temporalzeit (römische Stunden), Äquinoktialzeit (heutige Stunden), Tagesdatum, Zeiten für Sonnenauf- und untergang, Mondauf- und untergang, Sternzeit und Stellung des Sternenhimmels, Ebbe und Flut, Springflut/Nippflut......

Der Sonnenzeiger gibt eine 24 Stundenanzeige der Ortszeiten und das Tagesdatum an, vom Mondzeiger lassen sich die Mondphasen ablesen und der runde, exzentrisch angebrachte Tierkreiszeiger repräsentiert den gesamten Sternenhimmel und damit informiert er auch über die Sternzeit.

Das Bild zeigt die Überreste, die heute noch von dem Uhrwerk vorhanden sind. Allgemein war man der Ansicht, dass es sich um Fragment handeln müsse und der überwiegende Teil der Zahnräder fehlen würde. Man konnte sich nicht vorstellen, dass die Fülle von astronomischen Daten, die Zeiger und Zifferblatt offensichtlich früher einmal darstellen konnten, mit einer solchen Minimalmechanik erreichbar sein könnte.

Heutige Reste des Uhrwerks

Schemazeichnung des Uhrenaufbaus nach Vilkners Vorschlag von 1980

1980 hat Vilkner nachgewiesen, dass nur sehr wenige Teile fehlen: Spindel und Waag der Uhrenhemmung, das große Sonnenzahnrad mit 366 Zähnen und ein Doppeltrieb mit einer beliebigen, aber gleichen Anzahl von Zähnen, der für die 1:1 Übertragung zwischen Sonnen- und Mondzahnrad sorgen muß.

Die Angaben von Vilkner waren die Grundlage für unseren Nachbau. Vier Zahnräder mußten die genaue Anzahl von Zähnen aufweisen, bei den anderen konnten wir die Anzahl frei wählen. Da es in einem Lehrmittelhandel Zahnräder mit passenden Zahnriemen beliebiger Länge gab, konnten wir das Uhrwerk nachbauen, indem wir die Zahnriemen für die vier Zahnräder zahngenau zuschnitten, und außen auf Zahnradrohlinge (Kreisscheiben mit dem entsprechenden Umfang) aufklebten. Diese Rohlinge wurden von der Müllheimer Modellbaufirma Hiort gesponsert, die diese Kreisscheiben sehr exakt aus einem speziellen Kunststoff gedrechselt hat. Auf den Bildern erkennt man gut den holzfarbenen Kunststoff und die schwarzen, aufgeklebten Zahnriemen.

Der Elektromotor, der für den Quick-Run-Mode sorgt und damit die interaktive Nutzung der Uhr ermöglicht, treibt das große Sonnenzahnrad an. Man kann die Zeiger in beiden Richtungen bewegen, so dass man auch zurückliegende Ereignisse (z. B. Sonnenaufgang des aktuellen Tages) einstellen kann.

Seitenansicht unserer Uhr

Blick auf Antrieb und Uhrenhemmung

Das nebenstehende Bild zeigt die noch nicht ganz fertiggestellten Teile des Antriebs und der Uhrenhemmung. Die Uhr soll auch mit eigenem Antriebsgewicht laufen können. Wir planen, das Gewicht in eine geschlossene Kette einzuhängen, die über ein Zahnrad eine Welle bewegt, auf der weitere Zahnräder fixiert sind, die das kleine Sonnenzahnrad (228 Zähne) und das Mondzahnrad (236 Zähne) antreiben. Die roten Zahnräder sind die sogenannte Triebe, deren Zahnanzahlen beliebig gewählt werden können. Sie müssen nur eine 1:1 Übertragung zwischen den vier großen Zahnrädern sicherstellen.

Teile des Antriebs und der Hemmung wurden von den Müllheimer Firmen Schreinerei Maas und Installateur Imberi gestiftet.

Die Kette wurde passend zu Zahnrädern und Zahnriemen vom gleichen Lehrmittelhändler geliefert. Da die Kette in sich geschlossen ist und damit endlos umlaufen kann, muß zum Aufziehen der Uhr deshalb nur das Gewicht in ein oberes Kettenglied eingehängt werden.

Nach den von Vilkner angegebenen Zahnanzahlen hat die Uhr eine theoretisch sehr hohe Ganggenauigkeit. Anders als im Original wurden alle unsere beweglichen Teile kugelgelagert, um die Reibung gering zu halten. Dennoch wird unsere Uhr die hohe Ganggenauigkeit in der Praxis sicher nicht erreichen, denn die Reibung zwischen den Zähnen ist sicherlich nicht überall gleich und die Uhr wird Temperaturschwankungen ausgesetzt sein. Deshalb muß sie leicht nachgestellt werden können. Die Triebe sind so ausgelegt, dass sie leicht einseitig gelöst werden können, um ein großes Zahnrad gegen ein anderes verstellen zu können.

Antriebskette

Konstruktion der Dreifachachse

Kurt, Sebastian und Tobias bauen den Uhrenkasten

Im Juni 2003 begann die Arbeit mit dem Einpassen der Dreifachachse in die Zahnräder und dem Bau des Uhrenkastens. Die drei Zeiger haben ja alle dasselbe Drehzentrum und müssen mit verschiedenen Kugellagern ineinander drehen. Im Laufe der Zeit stellte sich eine Arbeitsteilung heraus. Sebastian und Tobias ersannen die Halterungen für die Achse mit den vier großen Zahnrädern und bauten die Triebe an. Stets kamen ihnen neue Idden, wie man die Reibung reduzieren könnte. Auch die Anzahl und die Konstruktion der Triebachsen wurde mehrfach verbessert.

Kurt und Yannis konzentrierten sich auf die Uhrenhemmung. Und da diese Hemmung je erst zum Schluß eingebaut werden mußte, hatten sie Zeit die Technik des Planetariums zu überarbeiten. Die Schleifkontakte warfen noch Probleme auf.

Denise und Desiree hatten beim Malen des Zifferblatts reichlich Gelegenheit ihre künstlerische Ader auszuleben. Mit der Übertragung des Stralsunder Zifferblatts auf unsere Uhr und dem akuraten Ausmalen kam auch das Verständis für die astronomische Bedeutung der vielen Kreise und Linien. Auch sie kamen zügig voran, so dass noch Zeit blieb ein Zifferblatt, das für die geographische Breite von Müllheim passend ist, erst zu berechnen und zusätzlich fertigzustellen, so dass unsere Uhr auch die Müllheimer Sonnenauf-und untergangszeiten richtig angeben kann.

Inzwischen liegen neuere Forschungsergebnisse vor, die besagen, dass für die Kraftübertragung auf den Sonnenzeiger wohl nicht nur das eine fehlende Zahnrad verantwortlich war, so wie es Vilkner 1980 vorgeschlagen hat. Wir haben aber dennoch die Vilknersche Version beim Nachbau weiterhin realisiert. Die Anzahl der Zanhräder hat sich auch nach den neueren Erkenntnissen nicht wesentlich erhöht und die Faszinaton dieser Uhr liegt gerade in der Vielzahl der angezeigten astronomischen Daten bei der geringen Zahnradanzahl.

Denise behält die Übersicht

Denise und Desiree malen das Zifferblatt

Florian entwickelt den Tierkreiszeiger

Da die Uhr bis zu den Sommerferien zügige Fortschritte machte, waren wir guter Dinge sie recht bald fertig zu stellen. Ein attraktiver Wettbewerb physics-on-stage 3 lockte und sorgte für einen kräftigen Motivationsschub. Die Bewerbung mußte bis zum 15. September abgeschickt sein. Um die Bewerbungsunterlagen mit überzeugend schönen Fotos von diesem Objekt anzureichern, wurde die letzte Ferienwoche vor Schulbeginn intensiv gearbeitet.

.... und der Fleiß wurde belohnt! Zum zweiten Mal war die Astro AG erfolgreich bei diesem internationalen naturwissemschaftlichen Event im europäischen Raumfahrtzentrum in Katwijk in den Niederlanden. Darüber an dieser Stelle mehr.

Mitte Oktober hatten wir noch Gelegenheit eine Generalprobe für physics-on-stage auf die Beine zu stellen: die Science days am Europa Park sollten uns für die Fertigstellung der Uhr wichtige praktische Erfahrungswerte liefern.

Damit die Uhr auf den Science days auch von den Besuchern bedient werden konnte, wurde eine elektrische Steuerung konzipiert. Tobias Kunz hat sich darum gekümmert, dass von einer Mittelpunktsspannungsquelle ein Kabel zu einer Handsteuerung führt, die es erlaubt, dass ein Motor das Uhrwerk vorwärts oder rückwärts bewegt, so dass man schnell eine bestimmte astonomisch interessante Postion von Sonne, Mond und Tierkreiszeichen einstellen kann.
Die Schaltung dazu zeigt die folgende Abbildung.

Uhr-Steuerung 1

Mit einer Mittelpunktsspannungsquelle kann man ohne Lösen der Kontakte eine Spannung umpolen und bei uns auch über eine Potentiometerschaltung stufenlos regeln.
Wir haben sie aus zwei handelsüblichen Steckernetzteilen aufgebaut, wie man aus dem Bild rechts erkennt. Ein weißes Kabel führt zur Handsteuerung. Mit einem Taster kann man dafür sorgen, dass der Widerstand des Drehpotis nur solange unter Strom gesetzt wird, wie der Motor betrieben wird. Mit dem Drehpoti regelt man die Geschwindigkeit und die Richtung des Motors.

Der vorerst letzte Schüler, der sich intensiv mit der Uhr beschäftigt hat, war Patrick Scholer. Er hat die oben beschriebene Uhrenhemmung realisiert, zwar anders als zunächst geplant, dafür aber hat er eine hohe Ganggenauigkeit erreicht. Das Bild zeigt einen Zustand, bei dem der elektrische Antrieb ausgebaut ist.

Uhr-Steuerung 2
elekt.-Steuerung

Das Bild links zeigt den derzeitigen Zustand, bei dem die Uhr sowohl auf historische Art mechanisch betrieben werden kann, wie auch über den Elektromotor, den man rechts unten sieht und der jetzt am Tierkreisrad angreift.
Der Motor hat aber zuwenig Kraft um die Uhr bei eingeschalteter Hemmung anzutreiben. Deshalb muss die Hemmung abgekoppelt werden. Man sieht das an der lose herabhängenden Zahnkette im Getriebe. Diese wird beim mechanischen Antrieb wieder auf das entsprechende größere Zahnrad gelegt, das man auf dem Bild in der Flucht hinter dem kleinen Zahnrad erkennen kann.

Wellenlager

Patrick war aus unserer AG der einzige, der sich die Uhr in Stralsund im Original angesehen hat. Er hat mit der Kirchenverwaltung der St. Nicolai-Kirche in Stralsund gesprochen und erreicht, dass er einen Blick hinter das Zifferblatt ins Uhrengehäuse werfen darf. Von seiner Kamera kommen die folgenden Bilder.

Eine Frage, die gleich zu Beginn der Bauphase 2003 auftrat, war, ob der Uhrenbauer Kugellager verwendet hat. Die Erfindung des Kugellagers geht schließlich bis in die vorchristiche Zeit zurück. Die Frage konnte jetzt endlich geklärt werden. Das Bild dokumentiert eindrücklich, dass man beim Lager mehr Wert auf Robustheit als auf Reibungsfreiheit gelegt hat. Natürlich treten hier größere Reibungskräfte auf, aber man muss auch bedenken, dass die Drehzahlen sehr sehr klein sind.

Die beiden folgenden Bilder zeigen die "Dreifachachse", die ineinander gesteckt die drei Zeiger für die Sonne, den Mond und die Tierkreiszeichen bewegen. Auch ein Detailbild des originalen Kronrads hat Patrick mitgebracht. Man sieht, dass es auch zahnlose "Zahnräder" gibt, die dann in echte Zahnräder eingreifen können. Diese Art Zähne nennt man Triebstrecken.

Dreifachachse


Kronrad