Im zweiten experimentellen Kapitel wollen wir uns nun solchen Phänomenen zuwenden, bei denen sich das Energiespeichersystem selbst ändert. Die Speichersysteme für die thermische Energie der Translation, der Rotation und der Vibration unterscheiden sich in ihrem Aufbau und die Kenntnis dieser Unterschiede ist hilfreich zum Verständnis der unterschiedlichen Stoffeigenschaften im festen, flüssigen und gasförmigen Zustand. |
Die klassische Thermodynamik des 19. Jahrhunderts war und ist eine isotherme Theorie in ihren dominanten Teilen. Obwohl praktisch keine chemische Reaktion tatsächlich isotherm und unter Standardbedingungen auftritt, ist es natürlich bekannt, dass sowohl Edukte als auch Produkte unter Standardbedingungen existieren können. Einer Reaktion folgt automatisch eine Temperaturkompensation mit der Umgebung, wenn eine Isolierung entfernt wird. |
7.1.1. Endotherme Vorgänge
7.1.2. Exotherme Vorgänge
Nach dem Entfernen der Trennwand reagieren zwei farblose Flüssigkeiten exotherm miteinander. Das Gemisch ist weiterhin farblos und die Temperatur steigt in etwa 10s um 16K. |
Deutung für beide Versuche: Im ersten Experiment reagierte festes Ammoniumchlorid endotherm mit destilliertem Wasser und bildete hydratisierte Ionen. Ein neutraler Stoff spaltet sich endotherm in entgegengesetzt geladene Ionen. ![]() Die beiden wasserklaren Flüssigkeiten, die im zweiten Experiment exotherm reagiert haben, waren Natronlauge und Salzsäure. Die Reaktionsgleichung dafür schreiben wir ohne die Natrium- und die Chlorid-Ionen auf, weil diese im Verlauf der Reaktion nicht verändert wurden. Hier bilden entgegengesetzt geladene Ionen exotherm neutrale Moleküle. ![]() Die Ion-Dipol-Bindungen zwischen den Hydrat-Wasserdipolen und den Wasserstoff- bzw. den Hydroxid-Ionen werden gespalten und die beiden Zentralteilchen bilden eine polare Atombindung aus. Die Wassermoleküle der Hydrathüllen sind in der Reaktionsgleichung auf der Produktseite getrennt von dem neu gebildeten Wassermolekül geschrieben. Man muss sich aber klar machen, dass alle Wasserteilchen sich unterschiedslos in die Wassercluster einfügen. Das Wasser hydratisiert sich selbst. Der exotherme Kern dieser Reaktion besteht in der Bildung einer polaren Atombindung aus zwei weit voneinander entfernten Ionen mit entgegengesetzter Ladung. Zwar müssen vorher die Bindungen der Hydrathüllen endotherm zerstört werden, aber bei der exothermen Clusterbildung werden sie teilweise wieder zurückgebildet. Es liegt deshalb nahe, die Temperaturänderung hauptsächlich der Entstehung der neuen Atombindung zuzuschreiben. |
7.1.3. Quantenchemische Deutung
Wenden wir uns nun den quantenchemischen Fragen zu und untersuchen, welche Änderungen im Speichersystem sich bei einer chemischen Reaktion exotherm, also Temperatur steigernd, bzw. endotherm, also Temperatur senkend auswirken. Bei dieser Untersuchung können wir uns auf die Abschätzung gemäß der Kraftregel beschränken, weil für den Ablauf einer Reaktion der Erhaltungssatz der Masse gilt. |
Endothermer Reaktionsweg zum Gleichgewicht
Als Deutung für den ersten der beiden Versuche können wir sagen, dass die Wassermoleküle die Ionenbindungen im festen Ammoniumchlorid aufbrechen und die entgegengesetzt geladenen Ionen auf großen Abstand bringen. Der große Abstand der hydratiserten Ionen einerseits und die große Dielektrizitätszahl des Wassers reduzieren die Rückstellkräfte, erhöhen damit die Speicherfähigkeit (Querschnittsfläche im Fluidmodell) und senken bei konstanter Energie die Temperatur (Füllhöhe). Aus dem obigen Bild ist ersichtlich, dass auch hier die Temperaturänderung etwa eine halbe Modelleinheit - endotherm - beträgt. |
Exothermer Reaktionsweg zum Gleichgewicht
Für den zweiten Versuch können wir feststellen, dass bei der exothermen Neutralisation wegen der Ausbildung der festen Atombindung einerseits und des Einbaus des neuen Wassermoleküls über starke H-Brücken in die Clusterstruktur die Niveaudichte auf der Produktseite geringer wurde. Bei konstanter Energie muss dabei die Temperatur ansteigen. Im Fluidmodell steigt die Füllhöhe (Temperatur), weil die Speicherfähigkeit (Querschnittsfläche) geringer wird. Das obige Bild zeigt diese Modelldarstellung. Da im Fluidmodell die Füllhöhe die absolute Temperatur darstellt, müssen die Änderungen, die wir in üblichen Experimenten beobachten, immer relativ auf die gesamt Skala bezogen werden. Deshalb erscheinen die Temperaturänderungen im Modellbild realistischerweise recht klein, aber wahrnehmbar. Hier liest man an der seitlichen Skala etwa eine halbe Modelltemperatureinheit 0,5 tu ab, die aber in einem Realexperiment wohl ca. 50K entsprechen würde. Dies wurde im oben genannten Fall natürlich nicht erreicht. Die folgende Skizze soll vor allem verdeutlichen, dass im Gleichgewicht tatsächlich die Entropie, also die Querschnittsfläche im Fluidmodell, maximal wird. |
Die Deutungen in diesem Abschnitt sind bewusst einfach gehalten, indem die Vorgänge nur mit dem Fluidmodell gedeutet wurden. In diesem Modell werden die Energiehöhen der untersten Niveaus von Edukt und Produkt nicht sichtbar, obwohl sie berücksichtigt wurden. In beiden Fällen gelang aber auch so eine zufriedenstellende Visualisierung des experimentellen Befunds. Diese zweite "Stellschraube" wird im Abschnitt 7.2. über das chemische Gleichgewicht näher untersucht. |
7.1.4. Isotherm oder isoenergetisch?
In Schulbüchern findet man häufig solche Aussagen: |
Der Film macht eindrücklich klar, dass durch die chemische Reaktion die Temperatur steigt, während gleichzeitig die Energie im System konstant bleibt. Wir müssen also verstehen lernen, dass die Gesamtenergie im System bzw. die mittlere Teilchenenergie nicht auch die Systemtemperatur festlegen. |
Die klassische Thermodynamik des 19. Jahrhunderts war und ist in ihren dominanten Teilen eine isotherme Theorie. Wenn auch so gut wie keine chemische Reaktion tatsächlich isotherm abläuft, hat man allerdings gewußt, dass man die Produkte natürlich unter den gleichen Bedingungen wie die Edukte erhalten kann, wenn man nach dem Abklingen der Reaktion so lange wartet, bis der Temperaturausgleich mit der Umgebung stattgefunden hat. |
7.1.5. Kinetische Hemmung